Die Filialkirche St. Michael

Gievenbeck

Fast 900 Jahre lang - nämlich seit der Weihe der Kirche „der Hl. Maria zu Überwasser" - waren die Gievenbecker Pfarrkinder der Überwassergemeinde.
Lange blieb der Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus auf Gievenbecker Boden unerfüllt; obwohl schon seit 1880 greifbare Pläne für den Bau einer Kapelle bestanden, ließ sich dieses Vorhaben, hauptsächlich aufgrund der damals noch geringen Besiedlung, nicht durchsetzen. Erst als gegen Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts rege Bautätigkeit einsetzte, konnte die Idee allmählich in die Tat umgesetzt werden. Die Gievenbecker beteiligten sich rege an den Planungen und an der Finanzierung. Jedoch verzögerte sich der Baubeginn, nun bedingt durch die nationalsozialistische Regierung, immer wieder. So konnte erst im Sommer 1935 mit den Arbeiten begonnen werden.

Holzkirche

Man hatte sich zunächst für eine „Notkirche", eine Holzkirche, entschieden, die von der Firma Kirschner aus Dülmen aufgebaut wurde. Die Bauleitung hatten die Architekten Benteler und Wörmann. Jeder Gievenbecker sah es als Ehrensache an, nach Kräften zum Gelingen des Vorhabens beizutragen. Durch Hand- und Spanndienste wurde der Bau rasch vorangetrieben.
Im Frühjahr 1936 war die Kirche fertig gestellt, und am 23. Februar 1936 erfolgte die Benedizierung durch Bischof Clemens August von Galen. Das neue Gotteshaus wurde dem Erzengel Michael, dem Patron der Deutschen, gewidmet. In seiner Predigt würdigte Bischof Galen besonders diese Namensgebung, die wohl nicht zuletzt aufgrund des Zeitgeistes erfolgt war. In einer Zeit, da der christliche Glaube verhöhnt, verunglimpft, und als „undeutsch" (wie der Bischof die damaligen Machthaber zitiert) bezeichnet wurde, hatten die Gievenbecker denjenigen, die sich für die Größten hielten, eine kleine Kirche entgegengesetzt. Denen, die das Judentum brutal verfolgten, hatten sie mit ihren Anstrengungen gezeigt, welchen Weg sie zu gehen gedachten: den Weg Gottes nämlich, der Gott des Neuen und des Alten Testamentes, Gott der Juden und Gott der Christen ist. Und die, die sich als „Führer" bezeichneten und sich götzengleich verehren ließen, wiesen sie durch die Auswahl des Namens für ihre Kirche in die Schranken. Denn Michael heißt übersetzt: „Wer ist wie Gott?"

Die Notkirche überdauerte den Zweiten Weltkrieg. 1949 wurde St. Michael zur selbständigen Pfarrgemeinde erhoben, und Theodor Samson, der zuvor Pfarrektor gewesen war, wurde der erste Pfarrer von Gievenbeck. Die Kirchenvorstände verfolgten die Bemühungen um den Bau eines größeren, festen Gotteshauses im Zentrum von Gievenbeck, das laut Beschluss vom März 1959 nordwestlich der neuen Volksschule, die an der Appelbreistiege gebaut wurde, entstehen sollte. Das Gelände war zu der Zeit noch bebaut mit der alten Schule und dem Essingskotten. Im Laufe der Zeit würde hier ein Pfarrzentrum mit Kirche, Kindergarten, Pfarrhaus und Pfarrheim in Nachbarschaft zur Schule entstehen.
Nach der Emeritierung von Pfarrer Samson im Jahre 1959 wurden die Grundstücksverhandlungen unter Pfarrer Engelbert Laux weitergeführt. Die Stadt Münster gab das Schulhofgelände nicht zum Kauf ab, so musste -unter großem Bedauern - das Grundstück der alten Kirche dagegen zum Tausch angeboten werden.

Kirchenneubau

1965 entschied der Generalvikar nach Prüfung der Pläne und Entwürfe, dass Professor Harald D. Deilmann den Auftrag bekommen sollte, den Neubau der Kirche zur Ausführung zu bringen.Die Erteilung der Baugenehmigung jedoch wurde immer wieder hinausgeschoben, so dass erst im Jahr 1968 endgültig mit dem Kirchbau begonnen werden konnte. Am 13. März 1968 führte der zweite Vorsitzende des Kirchenvorstandes, der Landwirt Heinrich Oeing, den ersten Spatenstich aus, und am 9. Juni 1968 erfolgte durch Generalvikar Dr. Reinhard Lettmann die Grundsteinlegung.

Unsere Kirche ist der erste Sakralbau von Professor Harald D. Deilmann. Kühn konzeptioniert, passt er sich der Lage im Straßenkreuz von-Esmarch-Straße/Arnheimweg/Rüschhausweg/Enschedeweg an. Die Idee ist einfach: zwei Quadrate, gegeneinander verschoben, bilden den Grundriss. Faszinierend ist die Erscheinung des Kirchenraumes in ihrer Asymetrie: es gibt keine klare Mittellinie im Sinne einer Flucht „Eingang-Altar", auch liegt der Altar selbst nicht in der Diagonalen des Kirchenraumes.

Das Dach weckt Assoziationen an ein tief heruntergezogenes Scheunendach. Es ist zweimal gebrochen, und durch die verglasten Öffnungen fällt Licht zum einen in den Altarraum, zum anderen, von der Gegenseite her, in den hinteren Kirchenraum.

Außen wie innen ist die Kirche rot verklinkert, auch der Fußboden besteht aus roten Platten. Reliefartig aufgeteilte Wände lockern das Kircheninnere auf. Das Dach, das zeltartig emporsteigt, zeigt eine aus hellem Holz gearbeitete Decke. Schwere Balken laufen im Schlussstein, der die Taube des Heiligen Geistes mit der Jahreszahl 1969 zeigt, zusammen.

Der Turm hat zum Grundriss ein Dreieck mit zwei abgeflachten Ecken. Er wurde in einem unkonventionellen Verfahren, dem sogenannten Gleitschalverfahren, hochgezogen. Rund um die Uhr entstand er in einem Guss, wobei eine Hydraulik die Schalung jeweils weiter hoch drückte. In sechs Tagen wurden so bei zwei Schichten pro 24-Stunden-Tag 150 Kubikmeter Beton verarbeitet.

Das Richtfest fand am 5. Dezember 1968 statt. Noch hoffte man, im Jahre 1969 in die neue Kirche einziehen zu können. Aber dieser Termin schob sich bis zum Frühjahr 1970 hinaus.
Am 21. März 1970 schließlich konnte Bischof Heinrich Tenhumberg die neue Kirche weihen. Die Reliquien, die er in die beiden Altäre einmauerte, stammen von der heiligen Ursula, der Märtyrin vom Rhein, und vom heiligen Faustinus, der in Brescia/Italien verehrt wird. Er lebte zu Zeiten der trajanischen Christenverfolgung und erlitt unter Hadrian das Martyrium.

Die Orgel

Nach dem Kirchbau konnte die Pfarrgemeinde nicht sogleich das Geld für eine Orgel aufbringen. Sieben Jahre lang stellte die Orgelbau-Firma Breil, Dorsten, eine Kleinstorgel unentgeltlich zur Verfügung in Erwartung eines endgültigen Auftrages.

Im Jahre 1976 wurde ihr nach einem Votum der Pfarrversammlung vom Kirchenvorstand der Auftrag erteilt, eine Orgel mit 17 Registern zu erstellen, die ausbaufähig ist. Die Orgelweihe durch den emeritierten Pfarrer E. Laux konnte schon am 4. Adventssonntag 1977 stattfinden. Zu Ostern 1979 war die Orgel auf 23 Register ausgebaut.

Seitdem kann sie mit großer Vielfalt gespielt werden und lockt wegen ihres guten Klanges viele Musik-Studierende an. Vor allem aber dient sie der Schönheit des Gottesdienstes.

Die Glocken

Die Bronzeglocke, die seit 1936 im Dachreiter der Holzkirche gehangen hatte, musste während des Krieges abgegeben werden und wurde damals durch eine Stahlglocke ersetzt. 1948 erhielt St. Michael vom „Glockenfriedhof" eine andere Bronzeglocke zurück, die die Inschrift trägt: „SIGNIFER SANCTUS MICHAEL REPRAESENTET IN LUCEM SANCTAM" | „SANKT MICHAEL, DER BANNERTRÄGER, GELEITE SIE IN DAS HEILIGE LICHT".

Diese Glocke, eigentlich eher ein „Glöckchen", wurde nach dem Kirchbau in die neue St. Michael-Kirche übernommen. So rief sie, seit dem 21. März 1970, auch von hier aus 15 Jahre lang die Gläubigen zum Gottesdienst. Lange bestand der Wunsch nach einem vollständigen, weithin hörbaren Geläute. Spenden waren bereits auf ein Konto eingeflossen, als der Pfarrgemeinderat zur Pfarrkirmes 1984 eine gezielte Informations- und Spendenaktion unternahm. Kurze Zeit später konnten die Glocken - dank vieler und zum Teil sehr großzügiger Spenden - bei der Firma Petit und Edelbrock in Gescher in Auftrag gegeben werden. Am Vorabend zu Palmsonntag, am 30. März 1985, wurden in einer Feierstunde die fünf Glocken geweiht. Sie erhielten die Namen:

//ERZENGEL MICHAEL | „Ehre Sei Gott In Der Höhe Und Friede Den Menschen Auf Erden!"
//MARIA | „Meine Seele Preist Die Grösse Des Herrn!"
//JOHANNES DER TÄUFER | „Bereitet Den Weg Des Herrn!"
//LIUDGER | „Ich Verkünde Euch Christus!"
//NIKOLAUS | „Dient Einander In Liebe!"

In der Osternacht 1985 ertönte, zum Gloria, erstmalig das neue Geläute. Die kleine Glocke von früher wird heute noch im Turm unserer Kirche aufbewahrt. Sollte Gievenbeck einmal einen Friedhof bekommen, dann wird sie dort, in der Friedhofskapelle, wieder „Dienst tun".